Ist Eislaufen nur ein Frauen- und Mädchensport?
Wie die Frauen mit Kraft und Grazie die Eisbahn eroberten
Wie Sportarten mit Pferden heute von Mädchen und Frauen dominiert wird, wird auch der Eislaufsport primär von jungen Damen ausgeübt. Dies hat aber auch Vorteile für die wenigen Jungen und junge Männer, denn im Paarlaufen und Eistanzen z.B. braucht man Männer als Partner und so kann man schnell eine Sportkarriere machen.
Die Dominanz der Mädchen und Frauen war aber nicht immer so, populär wurde der Eislaufsport einst mit Männern: der Norweger Axel Paulsen (Erfinder des Axels), der Schwede Ulrich Salchow (Erfinder des Salcho), der Deutsche Werner Rittberger (Erfinder des Rittbergers), der Österreicher Alois Lutz (Erfinder des Lutz), der Schwede Per Ludvig Julius Thorén (Erfinder des Eulers, auch Thorén genannt) usw. machten den Eislaufsport einst populär. Die Damen mussten erst hart kämpfen und prägten dann im letzten Jahrhundert diesen Sport, zunächst mit Anmut und Grazie und dann aber immer mehr mit athletischen Höchstleistungen:
Die Britin Florence Madeleine „Madge“ Syers, geb. Cave (1881-1917) war eine der bekanntesten Eiskunstläuferin, die im Einzellauf und im Paarlauf startete. Sie ist die erste Weltmeisterin und Olympiasiegerin im Eiskunstlauf der Damen. Da es bei Weltmeisterschaften zur damaligen Zeit nur eine Herrenkonkurrenz gab, aber keine Regel, die es Frauen explizit verbot, teilzunehmen, gab sie, als sie diese Lücke im Reglement entdeckt hatte, sensationell ihre Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1902 im heimischen London bekannt. Zu dieser Zeit war es generell unerhört für Frauen an Sportwettbewerben teilzunehmen und daher hatten die Offiziellen der Internationale Eislaufunion (ISU) überhaupt nicht daran gedacht, dass eine Frau jemals auch nur versuchen würde, teilzunehmen. Die größte Sensation schaffte Syers dann allerdings im Wettbewerb, wo sie im knöchellangen Rock Vize-Weltmeisterin hinter Ulrich Salchow wurde. Nach ihrer Teilnahme schlossen die Organisatoren das Schlupfloch im Reglement und erließen eine Regel, die es Frauen verbot, in der Herrenkonkurrenz teilzunehmen. Sie begründeten dies damit, dass die langen Röcke der Damen es zu schwer für die Punktrichter machten, die Beinarbeit korrekt einzuschätzen. 1905 wurde dann eine eigene Damenkonkurrenz ins Leben gerufen, die allerdings erst 1920 im Nachhinein als offizieller Weltmeisterschaftswettbewerb Anerkennung fand. Madge Syers wurde 1906 in Davos somit die erste Eiskunstlaufweltmeisterin der Geschichte.
Im Jahre 1916 steht die Deutsche Charlotte Oelschlägel, Eiskunstläuferin der Berliner Eisballettkompanie, als erste Dame den einfachen Axel. 1915 war sie Oelschlägel die erste Frau, die in einer Eisrevue am Broadway auftrat, und zwar in „Hip-Hip-Hooray!“ im New York Hippodrome. Mit ihrem Ehemann Curt Neumann, auch ein Eiskunstläufer, zeigte sie 1928 in Budapest die erste einhändige Todesspirale - Oelschlägel gilt als Erfinderin der Todesspirale. Sie wurde in die "Eiskunstlauf Hall of Fame", eine Stätte zur Ehrung der größten Persönlichkeiten im Eiskunstlauf (in Colorado Springs, im US-Bundesstaat Colorado) aufgenommen - neben Charlotte Oelschlägel sind dort u.a. auch Sonja Henie, Katharina Witt, Denise Biellmann, Jutta Müller, Gabriele Seyfert verewigt.
Sonja Henie (1912-1969) war eine norwegische Eiskunstläuferin. Mit drei Olympiasiegen, zehn Weltmeisterschaftstiteln und sechs Europameisterschaftstiteln im Zeitraum von 1927 bis 1936 ist sie die mit Abstand die erfolgreichste Einzelläuferin in der Eiskunstlaufgeschichte. Nach ihrer Sportkarriere begann Henie dann eine erfolgreiche Karriere in Hollywood und ging außerdem mit großzügig ausgestatteten Eisrevuen auf Tournee. Henie machte den Eislaufsport Mitte des letzten Jahrhunderts sehr populär.
In den 60 Jahren des letzten Jahrhunderts lockte die Holländerin Sjoukje Dijkstra die Leute vor die ersten Fernseher - wenn die Familien gespannt auf die Auftritte von Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler im Paarlaufen warteten. Dijkstra ist die Olympiasiegerin von 1964, die Weltmeisterin von 1962, 1963 und 1964 und die Europameisterin von 1960, 1961, 1962, 1963 und 1964.
Gabriele „Gaby“ Seyfert (Jahrgang 1948) aus Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) wurde von 1961 bis 1970 Eiskunstlaufmeisterin der ehemaligen DDR und hält mit diesen zehn Titeln den Rekord bei DDR-Meisterschaften. Sie war 1969 und 1970 Weltmeisterin und errang 1967, 1968, 1969 und 1970 den Europameistertitel. 1968 verpasste sie knapp den Olympiasieg und wurde nur zweite. Sie wurde von ihrer Mutter Jutta Müller trainiert, die dann später auch Katharina Witt zu ihren Welterfolgen führte. Im Unterschied zu ihrer damaligen großen Rivalin Peggy Fleming aus den USA konnte sie nicht zu der Eisrevue Holiday on Ice wechseln, da die DDR-Behörden die Annahme entsprechender Angebote ablehnten. Kuriosum am Rande: Ihre Beziehung zum österreichischen Eiskunstlaufweltmeister Emmerich Danzer wurden durch die DDR-Behörden strikt untersagt - so war es leider halt im damaligen Kalten Krieg.
Die Schweizerin Denise Biellmann sprang nicht besonders hoch, sie war aber die die erste Frau der Welt, die einen dreifachen Lutz springen konnte und sie revolutionierte das Eiskunstlaufen mit der später nach ihr benannten Biellmann-Pirouette. Sie ist die Weltmeisterin von 1981 und die Europameisterin von 1981. Dabei wird während der Drehung das Bein an den Hinterkopf gezogen. Zu den Höhepunkten ihrer Karriere auf dem Eis, nebst den vielen Titeln, gehören gemeinsame Auftritte mit weltberühmten Künstlern wie zum Beispiel, Montserrat Caballé, Simon Estes, Vanessa Mae, En-Vogue, Sarah Brightman, Chris de Burgh, Udo Jürgens, Barry Manilow, Zucchero, Gloria Gaynor, Scorpions und All Saints. 2014 wurde Denise als erste Schweizerin in die World Figure Skating Hall of Fame aufgenommen und erhielt somit die höchste Ehre welche ein Eiskunstläufer erreichen kann.
Als Gewinnerin der Olympischen Spiele 1984 und 1988 wurde Katharina Witt zum "schönsten Gesicht des Sozialismus" (Time-Magazin). Nach der Wende wurde die ausdrucksstarke Chemnitzerin Profi-Läuferin in den USA und ist noch immer eine der populärsten deutschen Sportlerinnen. Sie wurde zweimal Olympiasiegerin (1984, 1988) und viermal Weltmeisterin (1984, 1985, 1987, 1988). Schließlich begann sie im Juli 1988 ihre damals für DDR-Sportler sehr ungewöhnliche Profikarriere mit einem kurzen Gastspiel bei Holiday on Ice gegen Devisen und tourte dann von 1990 bis 2003 mit hunderten Auftritten in den großen Eisshows.1994 erreichte sie nach einer bis dahin beispiellosen Re-Amateurisierung ein Comeback als Olympiateilnehmerin in Lillehammer, wo sie den 8ten Platz erreichte.
Die Französin Surya Bonaly (Jahrgang 1973) war die Europameisterin von 1991, 1992, 1993, 1994 und 1995. 1991 war sie die erste Frau, die bei Weltmeisterschaften in München einen vierfachen Sprung versuchte, einen Toeloop. Sie stand den Sprung auch, rotierte ihn aber erst auf dem Eis zu Ende, weshalb er nicht als Vierfachsprung anerkannt wurde.
Der Japanerin Miki Ando gelingt bei der Junioren-WM 2002 einen ersten vierfachen Salchow. Sie wurde Weltmeisterin 2007 und 2011.
Mao Asada aus Japan steht beim Grand Prix Finale 2008 in der Kür zwei dreifache Axel. Mit Ausnahme von Asada wird dieser "Königssprung" allerdings weiterhin nicht von Frauen gezeigt.
Alexandra Trusova steht in der Kür des Grand-Prix-Finales den ersten vierfachen Flip einer Frau in einem Wettbewerb. Sie ist die Juniorenweltmeisterin von 2018 und die erste Eiskunstläuferin, die auch einen vierfachen Toeloop stand und zwei Vierfachsprünge in einem Programm zeigte. Sie war mit 13 Jahren die jüngste Juniorenweltmeisterin, die es bislang gab.